"BELLEVUE"-Reprint (1906) =================================
von Adriaantje Diena Kruik-van Trirum, Holland
Die Lebenszeit des Autors und Bibliothekars des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II, Bogdan Krieger, und die Aera eines Schlosses BELLEVUE von vor 1918, - die Zeit der zur Neige gehenden Monarchie in Deutschland, - war auch noch eine Epoche fast blinden Bürger-Gehorsams vor einer - vermeintlich von Gottes Gnaden eingesetzten - Obrigkeits-Ordnung. Es war eine Zeit, wo es noch einen Majestäts-Beleidigungs-Paragraphen gab und die Vereidigung auf den Kaiser bedeutete, dass unbedingter Gehorsam Vorrang vor Gewissens- Entscheidungen haben musste. Noch Jahre nach 1918, in den späteren 2o-ger Jahren, bestritt demzufolge der treue gehorsame Bibliothekar des Kaisers, Bogdan Krieger, die Legalität des Thronverlusts von Kaiser Wilhelm II. Jede Kritik am Kaiser , - geschweige denn , das politische Fehlverhalten des Kaisers auch nur zur Kenntnis zu nehmen, - wäre für Bogdan Krieger Verrat gewesen, Vasallen-Treue war für ihn oberstes Prinzip. ..."Wie anders ist der Geist der das BELLEVUE heute prägt! So äusserte sich es die NIEWE ROTTERDAMSCHE COURANT nach dem Fall der Mauer und fuhr fort: ..." Dem konservativen Berliner Reg. Bürgermeister a.D. und späteren Bundespräsidenten, Neben Bürger-Auszeichnungen wie dem Bundesverdienstkreuz für herausragende Bürger-Leistungen oder der Prämierung von begabten Jugendlichen - (z.B. JUGEND FORSCHT oder JUGEND MUSIZIERT etc.) - wollte Weizsäcker auch in hohem Masse den unbekannten deutschen und ausländischen Bürger in Berlin ehren, der sich in stiller sozialer Aufopferung oder in kulturellem Engagement ehrenamtlich betätigt. WEIZSÄCKER vervielfachte deswegen z.B. die Anzahl eingeladener Bürger an die jährlichen Sommerfeste im BELLEVUE auf fast 5ooo Gäste. Die Einrichtung der "BELLEVUE-Park-Sommerfeste" - ursprünglich für einige 1oo Bürger, - WEIZSÄCKER veranstaltete dieses Sommerfest z.B. 1987, als sein Amtssitz ja noch in Bonn war - und dies im BELLEVUE und in der damaligen Mauerstadt West-Berlin, - natürlich auch als politisches Signal an die DDR-Machthaber Ost -Berlins, die dem dortigen Bürger kaum Spielraum zu politischer Kritik oder gar Aufmüpfigkeit liessen. Das BELLEVUE - also damals auch als politisches Gegenmodell zum Ost-Berliner (Volks-!)-"Palast der Republik". Weizsäcker unterstützte kritisches Hinterfragen der Obrigkeit und er verband dies psychologisch geschickt mit einer Tugend aus der Kaiserzeit, als das politisch notwendige Positive durch geschickte und weise Hintergrund-Diplomatie erreicht werden musste und dem Bürger ein kleines Ventil durch den Brauch der "Bittbriefe an den Kaiser" eingeräumt wurde, - denn es gab bis 1918 ja noch ein 3-Klassenwahlrecht und keine polit. Mitsprache des "kleinen" Mannes, --die Bittbriefe als eine Praxis, die bis heute in rührenden Operetten weiterlebt, in denen ein Kaiser die arme Bäckerstochter anhört. Weizsäcker hörte alle Bürger immer an, und wenn es berechtigte politische Sorgen und Anliegen waren, leitete er sie an die richtige Stelle weiter und agierte mit seiner genialen Hintergrund-Diplomatie im Stillen. Ähnlich wie die 'Bäckerstochter in der Wiener Operette', hat ab 1979 eine Schweizer Musiklehrerin in Berlin wiederholt immer wieder ein riesiges schweizer Bauernbrot für Weizsäcker gebacken - (es hatte sich herumgesprochen, dass er das liebt!) - und im Rathaus Schöneberg, zusammen mit "Bittschriften", für Weizsäcker abgegeben. Beim ersten Mal glaubte der Rathaus-Pförtner, sie wolle eine Bombe abgeben. Es wurde die erschreckte Polizei gerufen, - aber aus Weizsäckers Büro wurde rasch Entwarnung gegeben, wo man schon wusste, dass eine gewerkschaftlich engagierte, harmlose Musikwissenschaftlerin wiedereinmal wichtige Post wegen den katastrophalen sozialen Zuständen an den damaligen West - Berliner Musikschulen beim Regierenden Bürgermeister abgeben wollte, - Post, von der sie überzeugt war, dass diese wegen und mit dem 5 kg schweren Bauernbrot nicht "untergehen" könnte und Herrn v. Weizsäcker auf alle Fälle erreichen musste ! Seine humorvollen Antwort-Briefe existieren heute noch. Und Weizsäcker begann sich in der erwähnten geschickten Hintergrund-Diplomatie sehr wirkungsvoll um die Berliner Musikschulen zu kümmern.... Ab 1979, als sie Weizsäcker erstmals als total unbekannte Musiklehrerin an einer Berliner Musikschule anschrieb, ging es also um soziale Verbesserungen an den damals mehr als provisorischen West-Berliner Musikschulen. Weizsäcker begann dann - ohne dass das die Öffentlichkeit wusste - Versammlungen der damaligen Musikergewerkschaft "GDMK" zu besuchen und er erwähnte in öffentlichen Reden immer wieder sein unbeirrbares Anliegen, wie wichtig es für die Kinder - zumal in der Mauerstadt West-Berlin - sei, ein Musikinstrument zu lernen, - und dass auch sozial schwachen Familien dieser Unterricht durch Stipendien ermöglicht werden müsse. Und er sagte das in Zeiten, als sein Innenminister H.Lummer ständig versuchte, die Musikschul - Etats zu kürzen! Durch Weizsäckers Einsatz wurden die Musikschul- Etats endlich vergrössert und wurde 1984 endlich eine Krankengeld-Regelung eingeführt an Musikschulen ! Weizsäcker bedankte sich immer sehr witzig für die selbstgebackenen Brote und erwähnte wenig zum eigentlich Anliegen z.B. der Musikschul-Problematik - für die , da es ja "nicht sein Ressort" war , - er ja gar "nicht zuständig" war ! Aber nach kurzer Zeit schrieb - überraschend ! - die Presse dann, "dass eben dieses betr. Musikschulanliegen" - (wie von Zauberhand - oft nach Jahrelang verhärteten Fronten) - Weizsäcker unterstützte also z.B. die Musiker immer wieder, und das auch demonstrativ im BELLEVUE, auch wenn die Künstler Berlins politische Defizite öffentlich unkonservativ laut und frech anmahnten. Grosse Unterstützung bot er also, - still und diskret und mit einer Taktik versteckter schwäbischer Bauernschläue, Weisheit, Humor, enormem kulturellem Sachverstand und Diplomaten-Psychologie - bei allen wichtigen Bürger-Engagements, - z.B. auch ab 1996 bei dem politisch heiklen Thema der Rettung der Bach-Autographe in der Staatsbibliothek / ehemals Ost-Berlin, wo es in der DDR-Zeit grosse konservatorische Misstände gab. Schalck-Golodkowski, der DDR-Devisenminister, liess nämlich durch die Stasi bis 1989 immer wieder Kostbarkeiten aus DDR-Bibliotheken "ausleihen", die dann in der "ZWA" - ( "Zentrale f. wissensch. Altbestände" - DDR-Tarnwort) - der Ost-Berliner Staatsbibliothek landeten, und die von dorther, bei West-Devisen-Bedarf, abrufbar waren an das Leipziger DDR-Zentral-Antiquariat, von wo wertvollste Buch- und Handschriften-Kultur gegen Devisen an westliche Auktionatoren und vermögende Privatleute verschachert wurden. Es bedurfte also enormer Diplomatie, die nachwievor im Amt befindlichen, seit der DDR-Zeit Zuständigen - (und: Ex-DDR-Verantwortlichen für das restauratorische Desaster!) - dazu zu bringen, die Bach-Autographen-Rettung nicht weiter zu blockieren, - galt es doch, in der (ehemals Ost-Berliner) Staatsbibliothek unter den Linden zu vertuschen, in welch grauenhaften Zustand die völlig vertrockneten tintenfrass-befallenen Autographe infolge ungebremster DDR-Heizungen waren, zumal auch noch unvollständig durch den Ausverkauf ins kapitalistische Ausland, nachdem die Bach-Autographe 1958, - damals noch vollständig und noch weitgehend heil nach dem Krieg! - , vom Musikwissenschaftler und Bach-Forscher Paul Kast in der Staatsbibliothek noch vollständig aufgelistet worden waren. Margot Honeckers Haushalt wies auf, dass "ins kapitalistische Ausland mit Devisen oder HANDSCHRIFTEN" bezahlt wurde! Ohne - auch ! - Weizsäckers stille Mithilfe und Diplomatie wäre dieses Kulturgut - im Bachjahr 2ooo - sonst z.B. nie in das längst überfällige Rettungs-Programm gelangt. Für Weizsäcker , seit 1939 schwer gezeichnet vom 2. Weltkrieg, in dessen ersten Tagen er als 19 - Jähriger an der Bahre seines gefallenen Bruders stehen musste, waren also seine frühen prägenden politischen Erfahrungen eine entsetzliche Lebenswirklichkeit, - eben grade als Folge eines Barbaren-Systems von "blindem Gehorsam vor jeder Gewissens-Entscheidung" . Weizsäckers bester Freund war Freiherr Axel v.d.Bussche-Streithorst, der Hitler mit einer Bombe am Körper in die Luft sprengen wollte an einer Veranstaltung, die Hitler unerwartet vorzeitig verliess, bevor v.d. Bussche nah genug an ihn herankommen konnte. Weizsäckers lebenslanges Anliegen ist und war es daher immer, jungen Menschen in frühester Erziehung "kritisches Denken und verantwortungsvolles mutiges Handeln nach dem inneren Gewissen", - hohe ethische Massstäbe - gegen jede Form von Kadaver-Gehorsam ! - einzuprägen. So wurde Weizsäcker (eigentlich bis heute !) "zum heimlichen demokratischen Bürger-König und drückte dem BELLEVUE den Stempel geistiger Bürger-Emanzipation auf", wie sich der Prinzgemahl Claus von Holland einmal ausdrückte. Nach Weizsäckers grosser Rede vom 8. Mai 1984, in der er ALLE NS-Opfer würdigte, - Opfer furchtbaren politischen Handelns nach der ideologischen Richtschnur nationalsozialistischen Kadavergehorsams - und Deutschland zu neuem Ansehen im Ausland verhalf , verwundert es nicht, dass Weizsäcker auch den Einsatz engagierter Bürger gegen den ab ca. 1980 aufkommenden neuen Rechtsextremismus aufmerksam verfolgte und unterstützte, obschon er sich, - (der oft ohne Leibwächter spazieren ging), - damit in Gefahr begab, weil Neonazis und NPD-Presse ihn zunehmend anpöbelten und bedrohten.- Stille Hilfe, soweit es ihm möglich war, bot er auch für schikanierte und Stasi-verfolgte DDR-Bürger, ( wie z.B. die MfS-Observations-Akte der sponsernden Musiklehrerin beweist - die "Grünen" wurden damals alle observiert und hatten immer wieder Einreiseverbote in die DDR wegen deren Kritik an den DDR-Umwelt-Misständen) . Bis heute hat Weizsäcker nie ins "Rentner-Dasein gewechselt" und beantwortet ständig weiterhin Bürger-Briefe, beteiligt sich an politischen Diskussionen und arbeitet in unglaublicher geistiger Frische und körperlicher Vitalität nachwievor mehr als jeder andere. Das konnte man an seinem kraftvollen, intellektuell brillanten Beitrag im Dezember 2oo8 im deutschen ARD-Fernsehen in einer Diskussionsrunde zum Thema "Bankenskandal" grade wieder erleben. Durch diese neue und bürger-zugewandte Rolle des BELLEVUE, die in prägendem Masse Weizsäcker, aber auch seinen vorbildlichen Amts-Vorgängern und - Nachfolgern zu verdanken ist, gewinnt dieser Reprint des Bogdan Krieger (mit baugeschichtlichen Aktualisierungen von Prof.F.Mausbach) über das BELLEVUE an Bedeutung, - dies auch weil es über dieses Schloss sehr wenig Literatur gibt (z.B. Ernst A. Busche oder: - im Kontrast dazu - die witzige Beschreibung von Alexander v. Schönburg über das "Schloss Mallevue" - des heutigen, - vor 1945 innen zerstörten, später z. T. langweilig-modern renovierten, - BELLEVUE). Die Sponsorin fühlte sich also geehrt, dass der kleine private Verlag " " sie 2005 bat, deren Buch-Konzept, B. Kriegers "BELLEVUE"-Reprint zu fördern und dies als Ausländerin in Berlin hier mit einer dankbaren Würdigung an Richard v. Weizsäcker verbinden darf. - Beinahe wäre allerdings das bereits 2oo1 immer wieder geplante und vertagte Projekt finanziell abgestürzt, da der kleine Privatverlag nach eigener Aussage der "Ver-Bertelsmannisierung" heutiger Buchmärkte nicht gewachsen sei". Die Sponsorin hält eine kritische Würdigung der politisch fragwürdigen Person Bogdan Kriegers - unabhängig davon, dass er als wichtiger Autor des Buches wertvolle Recherche-Arbeit leistete - für unabdingbar, - weil DAS BELLEVUE-Schloss heute grade nicht einen blinden Untertanen - Gehorsam fördert, sondern Weizsäckers intellektuell und kritisch hinterfragenden Bürger, der nach seinem Gewissen handelt, in den Mittelpunkt stellt und würdigt.-
(Übersetzt aus: 'NL - Press' / Rotterdam, 'Heenvlietsche Courant' - nach einem holländisch geführten Interview mit Verena Wenk v. 3. Jan. 2009) *****************************************************************
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