Januar 2009 ============================== WÜRDIGUNG FÜR ==============================
Vom Adelsschloss zum Bürgerpalast Aristokratie
und Bürger-Emanzipation
Die
wechselvolle Geschichte von Burgen, Schlössern und
Palästen durch die Zeiten von Monarchie, Diktatur - bis hin in die
heutige Demokratie, - findet in der Moderne ihren vorläufigen
Ruhepunkt - (wenn die kostbaren kulturhistorischen Zeugnisse denn
erhalten werden sollen !) - in staatlicher, also steuerfinanzierter
Nutzung als Museum oder Behörde, Das Schloss BELLEVUE in Berlin wurde in der Moderne als Sitz des Bundespräsidenten zugleich Zentrum des bedeutensten politischen Signals unserer Demokratie: der direkten und konkreten, ideellen Förderung von individuellem Bürger-Engagement auf
kulturellem, sozialem und wissenschaftlichem Bereich.
Neben
der Ordens-Auszeichnung von Eliten aus Wissenschaft, Kultur und von
bedeutenden humanitären und sozialen
Höchst-Leistungen mit dem Bundesverdienstkreuz,
führte der frühere Bundespräsident, grosse
Humanist und Religionswissenschaftler, Dr. Gustav Heinemann, 1970 -
1974 im Park des Schlosses Bellevue, - im demokratischen, aber
politisch noch fragilen West-Berlin: Dieser
wichtige Brauch wurde beim Sommerfest am 3. Juli 1987 unter dem
konservativen, aber auch betont politischen Bundespräsidenten
und (Vergrösserung des Briefes) R. v. Weizsäcker - Zeichnung von V. Wenk 1983 (In Bezug auf den im Brief genannten Krockow siehe R. v. Weizsäckers Rede 1986 zu Friedrich der Große. ) Weizsäcker
galt psychologisch bei allen Deutschen in Ost und West früh als
"Bürgerkönig" und Glücksfall für
das gebeutelte geteilte Deutschland, weil er richtig verstandene Werte
des alten Aristokratentums mit demokratischer
Bürger-Nähe
und konkreter Bürger-Zugewandtheit, - und das in grossem
Ausmass
ohne Presse oder breiter Öffentlichkeit, - lebte und - mit fast 90 Jahren und enormer Vitalität
bis heute!! - unendlich viele Briefe mit individuellen
Bürger-Anliegen persönlich beantwortet. Gegen jeglichen Untertanengeist,
'Kadaver-Gehorsam' und eingeschüchterte, unkritische
Unterwerfung unter jedwede staatliche Obrigkeit - hat
Weizsäcker immer die klaren Zeichen des Gehorsams Nach seiner bedeutenden Rede vom 8. Mai 1985 gab es keinen Zweifel mehr, dass er, gegen den Ungeist wie immer gearteter Diktaturen, den geistig emanzipierten, letzlich selbstverantwortlich handelnden Bürger in den Mittelpunkt seines politischen Denkens stellte. Sein Sommerfest von 1987 mit nunmehr 4500 - wiederum zumeist unbekannten - sozial und kulturell engagierten Bürgern im Halb-Berlin, dessen andere Hälfte Hauptstadt der Schein-Demokratie DDR war - dort ohne intellektuelle Meinungsfreiheit und mit nur mühsam und qualvoll realisierbaren Möglichkeiten individuellen Bürger-Engagements - war also alles andere, als eine eitle "Alibi-Veranstaltung von nur zur Schau getragener politischer Bürger-Nähe." R. v. Weizsäcker - Zeichnung von V. Wenk 1987 Es war vielmehr ein demonstratives Zeichen Weizsäckers am Ort des charismatischen Schlosses BELLEVUE, dass Bürger täglich neu ihre Obrigkeit zu prüfen und selbstbewusst zu hinterfragen haben, um sich da, wo Behörden Defizite vorzuwerfen sind, privatengagiert, - grade in sozialem und kulturellem Bereich, - das Gesetz des Handelns in eigene Hände zu nehmen. Dies galt es in der Öffentlichkeit - und dies mit medialer Beachtung über alle Grenzen hinaus - in der Mauer-Halbstadt West-Berlin zu demonstrieren. Der
damalige Pressesprecher Weizsäckers versandte 1987 persönlich unterschriebene Einladungen "an Berliner und ausländische Mitbürger Berlins, die sich
um andere verdient gemacht haben", wie die Presse schrieb : Meine eigenen, von v.Weizsäcker seit 1979 (bis heute!) unterstützten Bürger-Engagements stehen also nur exemplarisch für abertausende Bürger in Berlin, deren Einsatz für kulturelle und soziale Belange v.Weizsäcker, - wie auch seine Amts-Vorgänger und -Nachfolger - tatkräftig und persönlich unterstützten und unterstützen und in seinen Bellevue-Sommerfesten auszeichnen wollten und wollen. Ich
selber - Ausländerin in Berlin seit 1973 - kämpfte ab
1979 mit und in der damaligen Musikergewerkschaft "GDMK" um
Sozial-Leistungen an Berlins Musikschulen, die es damals überhaupt noch nicht gab. In
psychologisch geschickter Hintergrund-Diplomatie überzeugte er
als Regierender Bürgermeister, bis kurz nach seinem Weggang 1984 in
die Bonner Villa Hammerschmidt, - mit Erfolg! - endgültig seine ehemaligen Senatskollegen,
dass sofort eine Krankengeld-Regelung
für Berliner Musikschulen eingeführt werden
müsste -
(von Heinrich Lummer [Wikipedia], damals Innensenator, lange abgewehrt). Kurz vor Amtsantritt
als Bundespräsident schrieb v.Weizsäcker mir 1985 -
scheinbar einsilbig und abstrakt - , "er wolle versuchen, zu tun, was
ihm möglich sei und mit Heinrich Lummer und seinen ehemaligen Senatskollegen
reden, könne aber kein Ergebnis versprechen....", - drei Tage
später schlagzeilten alle Zeitungen urplötzlich die
"Einführung von Krankengeld an West-Berlins Musikschulen", um
das die Musikergewerkschaft seit 1979 verzweifelt und vergeblich
gekämpft hatte. Als ich ab 1983 regelmässig in rechtsextreme Versammlungen von DVU, NPD und REP einschlich, heimlich mitschrieb, um hernach die Presse zu informieren, wollte Weizsäcker regelmässig informiert werden - ebenso sein Pressesprecher, der damals als Historiker umfangreich zum Thema Nationalsozialismus recherchierte. Für Weizsäcker, der in rechtsextremen Blättern seit seiner Rede am 8.Mai 1984 bedroht und angepöbelt wurde, war seine Unterstützung dieses meines Engagements, zu dem mich das ehemalige KZ-Schicksal meines holländischen Grossvaters antrieb und hoch motivierte, also nicht ohne Risiko. Mit persönlichen Briefen unterstützte und ermutigte Weizsäcker mich, als ich 198o - 1989 regelmässig lebenswichtige Medikamente in ein Ost-Berliner Pfarrhaus schmuggelte. Es ging u.a. auch darum, dass im Pfarrhaus regelmässig von mir geschmuggelte Krebs-Medikamente (für einen Patienten in Halle) deponiert wurden. Als ich also 1985 wie alle "GRÜNEN" Einreiseverbot hatte, sorgte Weizsäcker dafür, dass ein Diplomaten-Auto die Medikamente in das Pfarrhaus im Berliner Ost-Teil schaffte. Meine Stasi-Observations-Akte, die ich wie alle
GRÜNEN hatte, beweist, dass Weizsäcker und sein
Pressesprecher mich - die GRÜNE - in
aller politischer Diskretion damals vor grosser Gefahr und dem Zugriff
des MfS bewahrten. Ab 1995 gelang es mir, wiederholte Medien-Öffentlichkeit zu erreichen für die Rettung eines kostbaren Clara Schumann-Érard-Flügels von 1852, weil Weizsäcker sich bei Politikern - auch seiner eigenen Partei - persönlich für mein Anliegen einsetzte. (Klavierbauer Sébastien Érard / Wikipedia) Auch meine "Privat-Initiative zur Rettung der Bach-Autographe" ab 1996, - deren Wert um 2,3 Milliarden DM betrug !! - und die - stark beschädigt - damals noch mehrheitlich in der Staatsbibliothek unter den Linden waren, wo es galt, besonders diplomatisch mit politischen Empfindlichkeiten umzugehen, - wäre ohne Weizsäckers anhaltende Rückendeckung erfolglos geblieben, da ich stark bekämpft wurde von denjenigen, die in der Vergangenheit ja grade verantwortlich waren für diese DDR-Kultur-politischen Defizite konservatorischer Katastrophen an Europas grösster Autographen-Sammlung.
Weizsäckers
Briefe an mich, die ich der Presse geben durfte, halfen wesentlich,
dass ich - als unabhängige Privatperson und für die
zögernde Staatsbibliothek - kräftige Sponsoren (z.B.
die Deutsche Bank) zur Bach-Autographen-Rettung fand, - aber auch
bedeutende Bibliotheken u.a. in Leipzig, Dresden und Köthen
mir erlaubten, Restaurierungen von einigen unersetzlich-kostbaren
Einzel-Autographen aus der Bach-Zeit privat zu sponsern - als
Demonstration für den Erfolg bestimmter ostdeutscher
Restaurierungs-Methoden vor den Medien und potentiellen Geldgebern, denen ich Fotodokumentationen über die Restaurierungs-Vorgänge von Herrn Prof. Wolfgang Wächter, Leipzig und Günter Müller, Schiller-Universität Jena, zu Verfügung stellte. Weizsäcker vervielfachte ab 1987 Dr. Heinemanns Idee der Sommerfeste im Bellevue für engagierte Bürger - Krankenschwestern, Altenpfleger, - Menschen, die zur Erhaltung von Kultur und Natur privat Geld sammelten, Bürger, die in der Freizeit Nachbarschaftshilfe, Kinderhorte und Hilfe für betagte Mitbürger organisierten. Das Bellevue-Schloss ist heute einer der herausragendsten Orte und zum Symbol dafür geworden, wo emanzipiert gelebte Bürger-Demokratie jedes Jahr auf breitester Ebene gewürdigt wird. Selbst
manche englischen Medien haben endlich registriert, dass es den
Berliner Pickelhauben-Obrigkeits-Staat aus der Zeit des Bellevue-Autors, Bogdan
Krieger, wirklich nicht mehr gibt - sehr
zum Gegenteil, wie ich als Schweizerin und (seit 1973) 'Wahl-Berlinerin' anmerken
möchte. In der Schweiz sind manche Politiker der Meinung, dass Bürger-Engagement "überflüssiges Querulantentum sei, weil die plebiszitäre Demokratie dem Bürger genügend Raum zu staatlich geregelter Mitbestimmung ermögliche". Man denke etwa an den qualvollen und mühsamen Kampf der Bürgerrechtlerin Gertrud Kurz, die sich während des 3. Reiches auf die Stufen des Berner Bundeshauses setzte, um in einem Sitzstreik zu erreichen, dass der Bundesrat Pilet-Golaz seinen verheerenden Beschluss rückgängig macht, die Grenzen vor jüdischen Flüchtlingen zu schliessen: auf dessen Geheiss (!) fügten die Nazi-Behörden den "J-Stempel" in Pässe jüdischer Bürger, damit sie am Zoll von Schweizer Grenzbeamten sofort identifiziert und zurückgeschickt werden konnten! Angesichts der Tatsache, dass Engagement von Schweizerinnen - selbst von dieser herausragenden Dimension und Bedeutung einer Gertrud Kurz - immer schon behindert wurde, kann man sich vorstellen, wie viel deutlicher und oft vernichtender Frauen-Engagement in kleineren Belangen niedergemacht und bis heute kaum ernst genommen wird. Man denke z.B. an den Fichen-Skandal in den 80ger Jahren: damals gelangten pauschal fast alle Lehrerinnen in die Dateien (Fichen) des polizeilichen Geheimdienstes Bern! Ich denke daher in Dankbarkeit und Hochachtung an die Leistungen der vorbildlichen deutschen Bundespräsidenten in meiner Wahlheimat Berlin, - seit 1990 auch offiziell im Schloss Bellevue, das zum Zentrum der Förderung von Bürgerengagement wurde. Privat-Druck Reprint 1906 'Schloss Bellevue' / Bogdan Krieger / 95,-- € Verena Diena WENK, Musikpädagogin
und Musikwissenschaftlerin, Berlin und Basel, Januar 2009
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